Klimaschutz ist teuer und schadet der Wirtschaft. Dass diese Meinung ursprünglich von Ökonomen verbreitet wurde, die von der Ölindustrie finanziert waren, deckte eine kürzlich veröffentlichten Studie von Benjamin Franta auf, ein Doktorand an der Universität Stanford.
Dass einige Klimawissenschaftler von der Ölindustrie gekauft waren, ist bereits bis in viele Dörfer durchgedrungen. Doch an die Wirtschaftswissenschaftler, die mit wirtschaftlichen Argumenten Klimaschutzmaßnahmen verhinderten und verzögerten, haben bis jetzt die wenigsten Experten gedacht. Franta zeigt: Es waren Ökonomen, die seit den 1980er Jahren den Glauben verbreiteten, dass Klimaschutz zu kostspielig wäre, und die bis heute Politikern Gründe dafür liefern, Klimamaßnahmen zu blockieren.
Wenn es keine wissenschaftlichen Gründe gibt, wird die Industrie wirtschaftliche Gründe finden
In den 1970er Jahren entdeckte die amerikanische Industrie wie einfach es ist, mit Hilfe von wirtschaftlichen Begründungen neue Gesetze zu verhindern. Ein Handbuch aus dem Jahr 1978 führte als Vorbild den Telekommunikationskonzern AT&T an: AT&T habe über Jahre in begabte Wirtschaftswissenschaftler investiert. Daraus ergab sich eine neue Wirtschaftstheorie, die „nicht rein zufällig“ AT&T dabei unterstützte, für den Ausschluss von Konkurrenten zu lobbyieren.
Sind Ökonomen überzeugender als Klimawissenschaftler?
In den 1980er Jahren wurden sich Klimawissenschaftler und Bevölkerung zunehmend darin einig, den Klimawandel aufhalten zu wollen. Der Wirtschaftsverband der fossilen Brennstoffindustrie American Petroleum Institute (API) wendete sich an die Ökonomen. Mit Erfolg: Während die Klimawissenschaftler geschlossen im Report der US National Academy of Sciences Changing Climate schon 1983 zum Handeln aufriefen und ihre Warnungen auf jahrzehntelangen Recherchen basierten, warnten die Ökonomen vor den hohen Kosten des Klimaschutzes und vor voreiligen Maßnahmen. Im Gegensatz zu den Klimawissenschaftlern konnten sich die Ökonomen zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht auf ausgereifte wissenschaftlichen Begründungen stützen. Aber das hielt sie nicht davon ab, selbstbewusst zu behaupten, dass man noch nicht wisse, ob der Klimawandel am Ende eventuell gar nicht so schlimm sei. Trotz der fehlenden wissenschaftlichen Begründungen empfand die Reagan-Regierung die Argumente der renommierten Ökonomen als überzeugender – und spekulierte, weiter auf Kohleinvestitionen.
Von der Industrie bezahlt für unvollständige Modelle
Zu der Gruppe der Ökonomen gehörten auch Mitarbeiter der Charles River Associates, einer US-amerikanischen Beratungsfirma, die den Hauptakteur in der “Abschwächung, Verzögerung oder Vereitelung zahlreicher klimapolitischer Maßnahmen spielte“, fand Franta in seinen Recherchen heraus. Zu ihrer Taktik gehörten auch „Vorschläge zur Bepreisung von Kohlenstoff in den USA”.
Die Studien von Charles River Associates bissen sich in das Allgemeinwissen der Amerikaner ein und halten sich bis heute fest. Sie überzeugten die Öffentlichkeit, dass Klimamaßnahmen zu teuer wären — sie könnten das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stark bremsen und tausende Jobs von Amerikanern vertilgen. Was der Öffentlichkeit dabei verschwiegen wurde, ist die Tatsache, dass ihre Studien von Anfang an von der Öl- und Gasindustrie bezahlt wurden — und ihre Methoden zugunsten der Industrie unvollständig blieben, sagt Franta. Auch wenn es deshalb gelegentlich Kritik von anderen Wirtschaftswissenschaftlern gab, gelang es ihnen dennoch, ihre Modelle zum Standard in der Klimawirtschaftsforschung zu erheben.
Wie zieht man einen renommierten Wirtschaftswissenschaftler als Lobbyisten der Industrie heran?
Das Manöver “darf nicht zu offensiv sein” mahnt das Handbuch, denn “die Experten selbst dürfen nicht erkennen, dass sie ihre Objektivität und Handlungsfreiheit verloren haben.” Das ist in vielen Fällen nicht schwer. Denn die Industrie sucht explizit nach Wirtschaftswissenschaftlern, die bereits eine Meinung haben, die der Industrie nützlich sein könnte. Sie dreht diese Stimmen durch finanzielle Unterstützung und bessere Verbreitungskanäle nur ein wenig lauter und penetranter, erklärt Franta — immer zum richtigen Zeitpunkt: “Wo Klimapolitik vorgeschlagen wurde, folgten die Ökonomen.” Das American Petroleum Institute (API) sorgte dafür, dass die Studien von Charles River Associates von Politikern, und Zeitungen so oft wiederholt wurden bis sie als Mainstream galten. “Schließlich wurden die Ergebnisse der Ökonomen zum Allgemeinwissen” fand Franta.
Problematische Annahmen verbergen sich hinter den Modellen
Nur weil etliche Studien von der Öl- und Gasindustrie in Auftrag gegeben wurden, bedeutet es natürlich nicht, dass die Ergebnisse falsch sind. Doch die Modelle der Ökonomen von Charles River Associates hatten mehrere Löcher, die selbst einen ihrer Autoren, Paul Bernstein, heute stören.
Ein Problem sei schon die Ausgangshypothese erklärt Franta: “In Anlehnung an die neoklassische Wirtschaftslehre gingen Montgomery, Bernstein und ihre Mitautoren davon aus, dass die Wirtschaft ohne Klimaschutzmaßnahmen optimal funktioniere, so dass jede Begrenzung der Treibhausgasemissionen das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen würde.” Diese Annahme hat zur Folge, dass jede Art von Einschränkung der freien Wirtschaft kostspielig wäre.
Außerdem gingen die Modelle davon aus, dass der amerikanische Energieverbrauch gedrosselt und unterdrückt werden müsse, um den Öl- und Gaskonsum zu reduzieren. Die Option, fossile Brennstoffe mit erneuerbaren Energien zu ersetzen, wurde missachtet.
Und auch dort, wo sie erneuerbare Energien miteinbezogen, nahmen die Ökonomen an, dass erneuerbare Energien bis in alle Ewigkeit 6x teurer seien als fossile Energie — für immer.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Nutzen der Klimaschutzmaßnahmen ignoriert wurde. Weil dieser schwer quantifizierbar war, konnten die Modelle keine Auskunft über absolute Kosten geben, sondern nur die relativen Kosten von Maßnahmen mit den gleichen Emissionsreduktionen vergleichen, gesteht Bernstein heute.
Bernstein macht sich heute Sorgen über die Folgen des Klimawandels. Für ihn sind Klimamaßnahmen immer noch mit Kosten verbunden, aber er hat heute ein Problem damit, dass seine Berichte dazu benutzt wurden, um nichts zu tun – nur weil er Arbeitsplatzverluste festgestellt habe. “Lasst uns nicht mehr sagen, dass wir nichts tun sollten.” Auch wenn Klimaschutz kostspielig sei, hört er heute auf die Klimawissenschaftler und sieht ein: die Kosten von fehlenden Klimamaßnahmen werden viel bedrohlicher sein. Denn was ist schon der Nutzen einer gesunder Wirtschaft auf einen kranken Planeten?