Wenn unsere Definition von Geld ist, dass es unseren „Anspruch auf Ressourcen und die Gesellschaft“ ausdrückt, dann ist das Streben nach mehr Geld vielleicht in unser (evolutionäres) Design einprogrammiert, solange unsere Kultur nicht Prozesse einrichtet, die dagegen drücken.
Evolutionären Psychologen erzählen uns, dass der Wunsch, unsere Materialgrundlage zu erweitern, tief in uns verankert ist. Zugriff auf mehr Ressourcen bedeutete schließlich eine bessere Voraussetzung, um den Partner seiner Wahl zu ergattern und danach seine Nachkommen zu versorgen — also unsere Gene zu verbreiten. Zugriff auf mehr Ressourcen bedeutet Sicherheit.
Zugriff auf mehr Ressourcen bedeutet Sicherheit und mehr Chancen seine Gene weiterzugeben.
Wenn Geld den Zugriff auf Ressourcen in unserer Gesellschaft organisiert, dann bemühen wir uns eben um Geld. Geld bedeutet für uns, dass wir nicht mehr direkt in die Schlacht ziehen müssen, um unsere materielle Basis zu erweitern.
„Dass die Wünsche des Menschen hauptsächlich auf Geld gerichtet sind und sie dieses über alles lieben, wird ihnen oft zum Vorwurf gemacht. Jedoch ist es natürlich, wohl gar unvermeidlich, das zu lieben, was, als unermüdlicher Proteus, jeden Augenblick bereit ist, sich in den jedesmaligen Gegenstand unserer so wandelbaren Wünsche und mannigfaltigen Bedürfnisse zu verwandeln.“
sagte Schopenhauer (1977, S. 380).
Geld verführt zu Maßlosigkeit
Geld verändert allerdings das Ausmaß unserer Eroberungsversuche: Während es uns bei Ressourcen auch um Qualität ging (über ein kleines Gebiet zu herrschen, das blühte, war wahrscheinlich ähnlich gut oder besser als über eine gewaltige Fläche an Wüste zu verfügen), gibt Geld die Qualität in Quantität an. Mehr Geld ist also immer besser für uns. Mehr Geld ist, wonach wir automatisch streben — auch ohne Milton Friedmans Erinnerung, dass es die einzige Aufgabe von Firmen sei, nach Profit zu streben.
Sind wir der Verführung des Geldes schutzlos unterworfen?
Doch ich kann mir vorstellen, dass wir dieses Bedürfnis eindämmen können, wenn gesellschaftliche Normen dagegen drücken. Neben der biologischen Evolution stecken wir gleichzeitig im Treibsand einer kulturellen Evolution.
Soziologische Studien sagen uns, dass eine Art kulturelle Evolution geändert hat, was uns bei der Partnersuche wichtig ist: Während türkische Frauen noch nach Männern mit schnellen Autos und viel Geld suchen, kann ein finnischer Mann auch einen Fiat Panda fahren und die begehrtesten Frauen ergattern. In Finnland sichert der Staat die Existenz jedes Einzelnen — mit und ohne Partner. Finnischen Frauen fühlen sich allein durch den Staat so abgesichert, dass sie nicht mehr besonders darauf achten, ob ihnen ihre Männer für ihre Kinder genügend Ressourcen bereitstellen. Hier hat sich der Heiratsmarkt sogar umgedreht: In Finnland ist den Männern die Ausbildung der Frauen statistisch wichtiger als den Frauen die Ausbildung ihres Partners.
Ein ähnlicher Trend ist auch in Deutschland zu beobachten. In bestimmten Gruppierungen in Deutschland profiliert man sich nicht mehr mit mehr Geld, sondern damit, dass man weniger Materielles zum Leben benötigt: Man fährt mit dem Fahrrad, geht auf Rucksackreisen und in Herbergen und kauft im Umsonstladen ein. Doch auch hier liegt die Vermutung nahe, dass dieser Trend nur in den Gesellschaftsschichten funktionieren kann, in denen die Menschen so viel Sicherheit genießen, dass sie sich nicht in ihrer Lebensgrundlage bedroht fühlen. Würden sie nicht auch wieder nach Geld greifen, wenn ihre Absicherungen wegfallen würden?