Er passte nicht in das Bild. Das Bild, das Besucher von den Rednern hatten, die heute Abend während der Veranstaltung von Stop Ecocide International am Rande der Klimakonferenz in Glasgow sprechen durften. Er stach heraus und wurde gemustert von allen Seiten, es wurde getuschelt. Ralph Chami war Assistant Director des Internationalen Währungsfonds (IWF). Er saß neben dem mexikanischen Indigenen Mindahi Crescencio Bastida Muñoz, seinem Freund, dem Aktivisten Gert Peter Bruch, und Jojo Mehta, der Gründerin von Stop Ecocide International. Stop Ecocide International erklärtes Ziel ist es, Ökozid als Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu verankern. Der Internationale Währungsfonds passte nicht ins Bild, beschlossen einige Besucher schon im Vorfeld. Der internationale Währungsfond (IMF) genoss bei vielen den Ruf, zur Verstaatlichung von natürlichen Ressourcen und Verarmung der Bevölkerung zu führen.
Die Natur gehört in den Mittelpunkt unseres Weltbildes
Doch dann sprach Ralph Chami — und der Saal verstummte. Es brauche ein neues Paradigma, bei dem die Natur im Mittelpunkt steht, und dieser Blickwechsel sei machbar, erreichbar.
Seit der kartesianischen Revolution hätten wir die Verbindung zwischen Geist und Körper und damit zwischen Mensch und Natur verlernt. Das gegenwärtige Paradigma ginge davon aus, dass „die Natur frei und grenzenlos (unendlich) ist“. Francis Bacon sagte: „Wir sind mit der Natur mit unendlichen Gütern ausgestattet“. Doch Chami konnte niemanden finden, der diese Annahme zu begründen vermochte.
Er sei ein theoretischer und praktizierender Wirtschaftswissenschaftler, aber er werde die Mathematik überspringen und uns eine Geschichte erzählen, wie wir dieses neue Paradigma aufbauen können.
Was kostet ein Wal heute?
Vier Jahre lang hat er Blauwale studiert. Der Preis der “stark gefährdeten” Tiere sei momentan gleich Null, sagt Chami. Also bezifferte er die Dienste des Wals, um den Preis von Null auf „Etwas“ zu erhöhen.

Der Blauwal im CO2-Kreislauf
Hierzu ist es wichtig zu wissen: Wale binden Kohlenstoff in ihrem Körper. Sie fressen Krill und Krill frisst Phytoplankton. Phytoplankton bindet ca. 30 % unserer Emissionen und liefert über 50 % des Sauerstoffs in die Atmosphäre. Und was frisst ein Phytoplankton? Es ernährt sich vom Kot der Wale. Dies sei ein “genialer” Kreislauf — so wie ihn sich nur die Natur ausdenken kann. Ein einziger Wal entspricht tausenden von Bäumen in der Kohlenstoffbindung.
Was kostet es, einen Wal zu beschäftigen?
Aber Kohlenstoff haben wir einen Preis gegeben. Deshalb hat der Wal „umsonst für uns gearbeitet“. “Warum zahlen Sie dem Wal nicht den Marktwert seiner Dienstleistung?” fragt Chami uns. Mindestens $ 2 Millionen würden wir jedem einzelnen Wal schulden — und zwar nur für den Kohlenstoff, den er einfängt. Wale leisten jedoch noch viel mehr: Sie erhöhen die Menge an Fisch in den Meeren, und sie schaffen Jobs und Einnahmequellen im Waltourismus.
Chami betont, dass Blauwale keine Besonderheit sind. Auch Waldelefanten erhöhen die Kohlenstoffbindung der Wälder um 7 %. Deshalb möchte Chami als nächstes die Dienstleistungen dieser Elefanten bewerten. Es reiche nicht nur Bäume zu pflanzen. Wir müssen unsere gesamte bestehende Fauna und Flora betrachten und anfangen, der Natur ein Gehalt zahlen.
Darf man einen Preis für das Leben festlegen?
Man wirft Chami oft vor, dass er einen Preis für das Leben festlegt. Aber er antwortet, dass wir dem Leben auch jetzt schon einen Preis zuweisen — nämlich einen Preis von Null Euro. Warum? Wenn ein Schiff heute einen Blauwal anfahren würde, müsste die Reederei keine Strafe zahlen, sie müsste keinen einzigen Euro zahlen für den Tod eines der ca. 10.000 bis 25.000 größten Tiere der Welt. Ähnlich ist ein Wald in den meisten Fällen mehr Geld wert, wenn er gefällt wird, als wenn er stehen bleibt, wie der ehemalige Umweltminister aus Costa Rica, Carlos Manuel Rodríguez, feststellen musste.
Was bringt es, den Blauwal zu bezahlen?
Die “Finanzleute” seien “Was habe ich davon?”-Leute. Wir können sie deshalb nicht verurteilen. Wir leben in einem Marktsystem, das uns diese Denke lehrt. Chami versuche, innerhalb dieses Systems Veränderungen herbeizuführen. Denn wir können momentan nicht von vorne anfangen, dafür haben wir nicht genügend Zeit.
Chami wollte nicht die Bekehrten bekehren, sondern seine Leute, die Finanzleute, ansprechen und versuchen sie in ihrer Sprache der Geldscheine zu erreichen. Wissenschaftler sprechen die Sprache der Wissenschaft, nicht der Dollars. Er hat sich bemüht zu übersetzen — nicht nur für die Banker, Investoren und Unternehmer. „Wie viel wird das kosten?“ bleibt immer noch die erste Frage, die auch jeder Politiker stellt. Wenn ein Politiker Sie fragt, was für Vorteile eine Maßnahme bringt, und Sie antworten: Artenvielfalt! Nun, dann haben Sie ihn schon verloren — und den Blauwal auch, schließt Ralph Chami.