/

Stützen Märkte die Demokratie?

Eine Buchrezension von "What Money Can't Buy: The Moral Limits of Markets" von Michael J. Sandel. 2012. Farrar, Straus and Giroux.

1 min read
Baseballstadium. © Tyler Nix auf Unsplash.

Der Harvard Philosophieprofessor Michael Sandel hinterfragt in seinem Buch „What Money Can’t Buy“ die Weisheit, dass Märkte die Demokratie stützen. Er beobachtet einen Trend in den USA von einer „Gesellschaft mit Markt“ zu einer „Marktgesellschaft“, also einer Gesellschaft, wo alles käuflich ist. Geld wird zunehmend als neutraler Richter bei der Verteilung von öffentlichen Gütern eingesetzt – und reserviert in seiner Rolle in immer mehr Bereichen des öffentlichen Lebens die besten Plätze für Bürger mit genügend Kleingeld. Ungleichheit wird so für die Menschen unterhalb der Spitze der  Einkommenspyramide  immer schmerzhafter. Das hat zur Folge, dass die Gesellschaft keine gemeinsamen Erfahrungen mehr macht, auf die sich die Demokratie stützen kann. Menschen mit viel Geld erleben nicht, was Menschen mit wenig Geld erleben. Menschen mit viel Geld haben in einer Marktgesellschaft die Möglichkeit sich abzutrennen, in anderen Stadtteilen, anderen Supermärkten – oder in den Skyboxen beim Baseball: Die Reichen kapseln sich auch an dem Ort von den anderen Gesellschaftsschichten ab, den Sandel als Kind noch als Ort der Zusammenkunft aller Gesellschaftsschichten erlebt hat: den „Ball Park“ beim Baseball. Sie müssen nicht mehr nass werden oder in der Schlange für Hotdogs stehen. 

Verständnis braucht gemeinsame Erfahrungen

/Eine Demokratie baut auf den gemeinsamen Erfahrungen aller Menschen auf. Je mehr Bereiche des öffentlichen Lebens der regulierenden Kraft des Geldes unterworfen werden, desto mehr werden diese gemeinsamen Erfahrungen verschwinden. In einer „Marktgesellschaft“ können zwei Menschen nicht weit voneinander in derselben Stadt leben und trotzdem entgegengesetzte Bilder von der Stadt in ihren Köpfen beherbergen. Wie soll die eine Person noch die Position der anderen verstehen können, wenn sie politische Maßnahmen diskutieren? 

Gleichzeitig scheint Geld die Fähigkeit zu besitzen, unsere gesellschaftlichen Werte zu korrumpieren, sodass sie sich in ihrer Gestalt verändern. Auch dieses Phänomen zerlegt Sandel in typischer Art in seine Bauteile und lädt dazu ein, die Rolle von Geld und Ökonomie im öffentlichen Diskurs kritischer wahrzunehmen. 

Michael Sandel. Foto von Stephanie Mitchell.

Erfahren Sie hier mehr über das Buch.

Neueste Artikel

Woher kommt das Geld?

Das Geld, das wir täglich zwischen uns hin und her schieben oder auf unserem Sparbuch liegen…

Ist Geld knapp?

„Es gibt einfach nicht genug Geld für den Klimaschutz oder den Schutz der Artenvielfalt” hören wir…

Geld vs Entropie

Warum ignoriert die Ökonomie den zweiten Satz der Thermodynamik? Verschleiert Geld die Realität, dass unser Wirtschaftsleben…

Wer hinterfragt das Geld?

Im Jahr 1992 reihten sich in Rio 154 Staatsvertreter auf, um ihre Unterschrift unter die Klimarahmenkonvention…