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Löst Innovation das Klimaproblem?

Können wir auf technische Innovationen hoffen, um die Klimakrise zu verhindern? Der Anthropologe Alf Hornborg rät zu einer anderen Strategie.

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Credits: Alex Knight

Das Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) aus Rio 1992 erkannte an, dass der Klimawandel wahrscheinlich weitgehend vom Menschen verursacht ist. Es schien jedoch darauf bedacht zu sein, den Prozess der globalen Erwärmung isoliert vom wirtschaftlichen Prozess darzustellen. Die UNFCCC betonte, dass die Lösung des Problems die Wirtschaft nicht beeinträchtigen dürfe. Lösungen sollten kosteneffektiv sein und den freien Handel oder das Wirtschaftswachstum nicht beschränken.

Rio setzt auf den technischen Fortschritt

Stattdessen hoffte man, dass technischer Fortschritt die Probleme löst. Der menschliche Erfindungsreichtum wird auch eine Lösung für den Klimawandel finden, solange Unternehmer in ihrem Wirtschaften ermuntert und nicht gestört werden. Schließlich sei es gelungen durch die Montreal Konvention 1986 mit neuen technischen Entwicklungen unsere Kühlschränke umzurüsten, die der Menschheit Jahre zuvor den Ozonloch-Schrecken eingejagt hatten. Eine attraktive Idee, die in Rio eifrige Anhänger fand.

Physikalisch möglich, aber auch gesellschaftlich machbar?

Doch kann Innovation uns aus der Klimakrise herausmanövrieren? Für den Anthropologen Professor Alf Hornborg sind Technologien nicht einfach nur ein Werkzeug (Hornborg 1992, 2021, 2022). In vielen Fällen erscheine eine Technologie nur aus lokaler Sicht produktiv oder effizient, während sie Arbeit und Umweltbelastungen auf andere Bereiche verlagert.

“Was technisch machbar ist, ist letztlich eine Frage der Kaufkraft, aber die beiden Überlegungen werden ontologisch getrennt gehalten, als ob der Zugang zur Technologie und der Zugang zum Geld getrennte Fragen wären.”

Alf Hornborg

Erst wenn wir die Ressourcenströme, die in eine Maschine fließen, auf globaler Ebene nachverfolgen, anstatt unsere Perspektive auf eine bestimmte lokale Fabrik oder ein einzelnes Land zu beschränken, wird ihr sozio-metabolische Prozess sichtbar — und die Spannung zwischen Entropie und Innovation wird erkennbar.

Erfindungsreichtum reicht nicht

Die Idee vom “technischen Fortschritt” kann in die Zeit der industriellen Revolution zurückverfolgt werden. Seit dem gab es auch viele soziale, medizinische und technische Verbesserungen. Auch Hornborg möchte diese nicht schmälern. Er weist darauf hin, dass herkömmlich gerne ein Teil der Voraussetzungen für technischen Fortschritt übersehen wird. Menschlicher Erfindungsreichtum ist zwar eine notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung.

Warum ist die Dampfmaschine erst in England möglich?

Über die Dampfmaschine hat man schon im antiken Ägypten, Griechenland und China nachgesonnen. Nützlich wird eine Idee oder ein Patent jedoch erst, wenn es umgesetzt wird. Warum wurde die Dampfmaschine also erst mit dem britischen Imperialismus realisiert? Joseph Inikori zeigte 1989: Es war der Sklavenhandel, der die Rahmenbedingung für diese Innovation in der Textilbranche in England schuf. Erst der Bedarf nach billiger Baumwollbekleidung für den Sklavenkauf in Afrika und die baumwollpflückenden Sklaven in Amerika schufen erst den Absatzmarkt für Baumwollfabriken, die auf Dampfmaschinen statt Wasserkraft setzten (cf. Malm 2016).

Macht die Industrialisierung Land überflüssig?

Wie war es möglich, dass die Verdauung an Ordnung (niedrige Entropie) des globalen Nordens seit der industriellen Revolution so eskalierte? Dank des Imperialismus stand der Norden das erste Mal in einem wirklich globalen Einkaufsladen.

Am Ende des 19. Jahrhundert konnte England auf Land zurückgreifen, das ein Vielfaches seiner Größe war, und von diesem Land die Früchte der Sonnenenergie, einschließlich der Arbeitskraft der Menschen, ernten. Waren die Grenzen des Wachstums, die Malthus (1798 mit aus heutiger Sicht geschmackloser Darlegung) vorhergesagt hatte, vielleicht nicht überwunden wurden, wie viele annahmen, die sich über Malthus lustig machten, “sondern nur aus dem Blickfeld gerückt”? Sein Zeitgenosse Ricardo hatte ebenso Recht, dass der britische Zugriff auf den Produktionsfaktor Kapital für den Mangel an Land kompensieren konnte. Denn Kapital ermöglichte es den Engländern, Land außerhalb ihrer Insel zu beanspruchen. Beispielsweise verbrauchten zu Beginn der Industrialisierung die englischen Eisenerzimporte aus Schweden rund 1 Millionen Hektar schwedische Wälder.

„Letztlich ging es bei all den Investitionen in die intensivierte Massenproduktion darum, dass England dadurch Zugang zu immer mehr Ressourcen jenseits seiner eigenen Bodenfläche erhielt.“

Alf Hornborg

Der Abbau von fossiler Energie hat Land nicht überflüssig gemacht, argumentiert der Anthropologe Alf Hornborg, sondern vielmehr den Zugang zu Land außerhalb des eigenen Territoriums erweitert.“ Fabriken waren finanziell abhängig von der billigen Aneignung von amerikanischem Land und afrikanischer Arbeit durch den Baumwollhandel, und einige Teile der frühesten industriellen Infrastruktur Großbritanniens waren physisch abhängig von einem massiven Import von baltischem Land und Arbeitskräften, die in Stabeisen enthalten waren.” Mit anderen Worten: Die billige Aneignung von amerikanischem Land und afrikanischen Arbeitskräften machte den Betrieb großer Fabriken erst rentabel.

“Die vertikale Förderung von Energie aus fossilen Brennstoffen machte ökologisch produktives Land für die Wirtschaft nicht überflüssig, sondern verstärkte und erweiterte den britischen Zugang zu den peripheren Landgebieten, die die Akkumulation der Dampftechnologie überhaupt erst ermöglicht hatten.”

Arbeitet die Maschine auch ohne internationalen Zufluss?

Nicht alle Technologien benötigen einen asymmetrischem Austausch, erklärt Hornborg. Der Prozess des ungleichen Austauschs bezieht sich auf jene Formen von Technik, die auf internationalen Geld- und Warenflüsse angewiesen sind. Mit anderen Worten: Wir befassen uns mit den Technologien, die vom globalisierten Markt abhängig sind.

Lokale Illusionen vorbeugen

“Könnte die Verbrennung von Weidenbüschen wirklich genug Energie liefern, um den Energieaufwand zu kompensieren, der bei der Herstellung von Maschinen zum Anpflanzen, Düngen, Ernten, Transportieren, Hacken und Verbrennen dieser Sträucher sowie den Verbrauch von Kraftstoffen und Düngemitteln verschlungen wird? … Ich bestreite nicht, dass Energie durch die Biokraftstoffe erschlossen werden kann, sondern nur, dass diese Art der Energiegewinnung nicht als möglicher Ersatz für fossile Energie im entscheidenden Umfang angesehen werden kann.”

Alf Hornborg

Vor dem Einsatz von neuer Technik sollten wir fragen, ob sie Arbeit wirklich ersetzt oder eine soziale Strategie verkörpert, Arbeits- und Umweltbelastungen in die Peripherie zu verschieben, rät Hornborg. In vielen Fällen, die Hornborg analysiert hat, bedeutet Technik Umverteilung der Arbeit, nicht Ersatz. Auch digitale Technik, zeigte Astra Taylor, beruht in vielen Fällen auf dieser Verlagerung. Wenn wir lokal auf Technik als Lösung setzen, ist es deshalb wichtig, immer auch die globalen Beziehungen zu betrachten, die sie möglich machen.

Erfahren Sie hier noch mehr zum Thema und lesen Sie das ganze Portrait über Professor Alf Hornborg.

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