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Wellbeing als Zweck der Wirtschaft

Eine Buchrezension von Eloi Laurent „The Well-being Transition: Analysis and Policy“ Palgrave Macmillan, 2021.

2 min zum lesen
nathan

Wenn wir das Klima retten wollen, dann müssen wir endlich lernen, auf Flugreisen und auf Fleisch zu verzichten, und uns auf eine CO2-Steuer einstellen. Wenn wir uns um unsere Erde kümmern wollen, dann können wir uns nicht mehr nur unserem eigenen Glück zuwenden. Hört man, glaubt man und mag man nicht gerne wahrhaben. Umso mehr erwacht unsere Aufmerksamkeit unweigerlich, wenn wir erfahren, dass unsere Lust am Leben nicht unter der neu gefundenen Identität als Klimaschützende leiden muss.

Auch wenn das Buch noch keine Antworten bereithält, stattet uns Laurent dennoch mit kräftigen Bildern aus, mit denen wir den nächsten Stillstand bei einer Verzichts- und Verbotsdiskussion auflösen können.

Doch im Vergleich zu Versprechen von nachhaltigem Konsum oder grünem Wachstum ist Laurents spannender Ansatz in The Well-being Transition überzeugend und steigert schon beim Lesen das Wohlbefinden der Lesenden.

Unser Wohlergehen ist untrennbar mit dem Wohlergehen unserer Erde verstrickt. Doch diese Wechselbeziehung wird von unserem aktuellen Wirtschaftssystem und seinen Indikatoren ignoriert. Für Laurent und seine Co-Autor/innen ist klar, dass eine „Well-being Ökonomie“ die Scheinwerfer auf den eigentlichen Zweck einer Wirtschaft richtet: Uns ein gutes Leben zu ermöglichen.

Unser Wohlergehen ist untrennbar mit dem Wohlergehen unserer Erde verstrickt.

Wohlbefinden nur mit Nachhaltigkeit

Aber wie schaffen wir diese Wende? Laurent zeigt dafür bereits in der Einleitung den Weg. In dieser Well-being Transition sind zwei Etappen zu bewältigen: Im ersten Schritt müssen wir Wohlbefinden und Nachhaltigkeit miteinander verknüpfen, um die Debatte in Richtung einer „integrierten Analyse menschlicher und natürlicher Systeme“ zu lenken. Diese Feststellung allein ist natürlich nicht neu. So versuchen Rockström (2009) und Raworth (2017) bereits eine Neuausrichtung anzuregen. Doch Laurent ist der Überzeugung, dass beide Konzepte noch unvollständig sind. Zwar erweitere die Donut-Ökonomie die ökologischen Obergrenzen von Rockström um eine soziale Untergrenze. Dennoch fehlen auch hier die sozio-ökologischen Wechselwirkungen.

Gesundheit von Mensch und Natur hängen voneinander ab

Als Alternative zeichnet Laurent eine sozio-ökologische Rückkopplungsschleife in Form einer Unendlichkeit. Im ersten (zentralen) Nexus verbindet Laurent die menschliche Gesundheit, die wir auch als Wohlergehen verstehen können, und die Gesundheit des Ökosystems zu einem neuen Bild von Full Health. Der zweite Nexus (Nachhaltigkeit-Gerechtigkeit) flechtet Ungleichheit und Gerechtigkeit in die Schleife ein. Gerade weil unsere aktuellen Debatten diese Rückkoppelungsschleifen noch unzureichend beachten, ist Laurents Bild eine Bereicherung.

Erste Vorbilder

Um die Well-being Transition zu ermöglichen, müssen wir im zweiten Schritt die Well-being-Indiktaoren operationalisieren. Auf den verbleibenden Seiten füllen seine Co-Autoren/innen Laurents Theorie mit Farbe. Es macht heiter zu lesen, welche alternativen Ideen zu diesem Zeitpunkt schon von einer kleinen Gruppe an fernab gelegenen Staaten (u.a. Schottland, Neuseeland, Island, Nova Scotia, Finnland), vereint durch das gemeinsame Zeil einer Well-being-Ökonomie, verfolgt werden. Jedoch bleibt am Ende offen, wie ein Land wie Deutschland mit seiner höheren Populationsdichte diese Wende starten kann.

Anderer Blick auf die Transformation

Auch wenn das Buch noch keine Antworten bereithält, stattet uns Laurent dennoch mit kräftigen Bildern aus, mit denen wir den nächsten Stillstand bei einer Verzichts- und Verbotsdiskussion auflösen können. Bemerkenswert ist, dass es fast 400 Jahre nach dem Tod Descartes auf einen anderen Franzosen fällt, uns eine annehmbare Alternative zu unserem vorherrschenden dualistischen Wirtschaftsbild vorzustellen.

Ursprünglich erschienen im Magazin ÖkologischesWirtschaften Ausgabe 01-2022.

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