Die Wirtschaft erwartet von einem Wirtschaftsminister, dass er als „Anwalt“ für ihre Interessen in der Politik eintritt, sagt Julia Klöckner (CDU) in der ersten Debatte über das neue Ministerium. Der neue Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) ist aber nicht mehr nur Wirtschaftsminister, Habeck darf sich Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz nennen. Denn das „Bundesministerium für Wirtschaft und Energie“ heißt jetzt „Bundesministerium für Wirtschaft und Klima“, um auf den neuen grünen Wind aufmerksam zu machen, der durch das Ministerium wehen wird.
Eine Zerreißprobe
Die Idee Wirtschafts- und Klimaschutz in einem Ministerium zu verbinden ist nicht neu. Die Niederlande zählt seit 2017 ein Ministerie van Economische Zaken en Klimaat. Auch unsere niederländischen Freunde haben erkannt, dass beide Themen untrennbar miteinander verbunden sind und bemühen sich mit diesem Zusammenschluss „um ein optimales Gleichgewicht zwischen den Interessen aller Beteiligten“. Dass es diesen Balanceakt schafft, nahm das oberste Gericht in den Niederlanden dem Ministerium nicht ab, als es in der berühmten Urgenda Klimaklage dem Ministerium im Jahr 2019 bestätigte, dass es die Europäische Menschenrechtskonvention verletze, weil es nicht genug gegen den Klimawandel tue. Indes wirft Klöckner aus der Opposition Habeck schon nach seiner ersten Rede im Bundestag vor, dass er den Turbo zwar für den Klimaschutz anwerfen will, aber gleichzeitig die Interessen der Wirtschaft missachtet. Auch in Deutschland wird es nicht leicht sein für den neuen Wirtschafts- und Klimaschutzminister, den Ansprüchen von Unternehmern und Klimaaktivisten gleichzeitig gerecht zu werden. Die Interessen scheinen in den meisten Fällen zwar an demselben Strang, aber in entgegengesetzte Richtungen zu ziehen. Habeck aber sieht noch keinen Konflikt nach seinen ersten Gesprächen Unternehmen wie Thyssen Krupp. Er sieht vielmehr eine „Chance für Wachstum und Klimaschutz, das sich wunderbar ergänzen kann, wenn wir denn besser, effizienter, produktiver werden — in der Verwaltung und in der Gesellschaft“, „Es ist möglich, BIP-Wachstum von Treibhausgasemissionen zu entkoppeln; wir sehen es in den Grafiken“ meint Habeck.
Krisenmanagement hat Vorrang
Habeck zieht in sein neues Büro in einer Zeit ein, die von Krisen durchwirbelt ist. Lieferengpässe, steigende Energiepreise, COVID-19, Klimakrise, Krieg in der Ukraine. Aber Habeck sieht die Ursache für die schnelle „globale Veränderung der Weltwirtschaft“ in unserem andauernden, steigenden Hunger nach fossilen Energien und hat schon große Pläne, wie er diese Ursache lösen wird: Kurzfristig möchte er die EEG-Umlage abschaffen und für eine faire Umlage der CO₂-Kosten zwischen Mietern und Vermietern sorgen. Mittelfristig möchte er Deutschland unabhängig machen von fossilen Energien, was sich ökonomisch und ökologisch „gebietet“, und Deutschland zudem unabhängiger von Rohstoffimporten machen durch den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, mit deren Hilfe wir gleichzeitig die CO₂-Emissionen senken können. In der Herausforderung steckt eine große Chance für die deutsche Wirtschaft, ist er sich sicher.
Ein Leserbrief |
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Wer schrieb den Koalitionsvertrag? Die neu gewählte Koalition aus SDP, den Grünen und der FDP hat ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Überraschend bestätigt die 178 Seiten zählende Übereinkunft endgültig, dass der neue Patriarch in dieser Zwangsehe ihr kleinstes Mitglied sein wird. Man hat sogar den Eindruck, dass die SPD und die Grünen dem Wahlprogramm der FDP beigetreten sind. Und damit die beiden anderen Parteien auch genauso handeln, wird FDP-Chef Christian Lindner als Finanzminister die Haushaltsgelder an die anderen Minister vergeben. Aber keine Sorge, wir setzen jetzt den Vorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, als Bundeswirtschaftsminister ein. Mehr noch: Die Grünen haben es mit großem Erfolg zu einem „Superministerium“ ausgebaut. Um dies noch deutlicher zu machen, nennt der Koalitionsvertrag sein zweites Kapitel passenderweise „Klimaschutz in einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft“ und kommt direkt nach dem Kapitel, das die FDP-Kernforderung nach Digitalisierung und Innovation zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erfüllen verspricht, und weiteren 20 Seiten über „die Wirtschaft“. Klimaaktivisten müssen sich nicht grämen. Diese Innovation wird in einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft stattfinden, für die Habeck sorgen wird. Das ist eine wichtige Änderung, denn es reicht nicht mehr aus, wenn eine vorgeschlagene Politik lediglich „die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessert“. Eine neue Wirtschaft wird daran gemessen werden, ob sie „die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessert und zudem nachhaltig ist“. Bleibt Klimaschutz also Einschub? Ich frage mich, wie Habeck die Interessen heutiger Wirtschaftsakteure und künftiger Generationen unter einen Hut bringen will? Ganz einfach! Die neue Regierungskoalition hat erkannt, dass Klimamaßnahmen existenziell sind. Habeck hat nun die Möglichkeit, konsequent im Sinne des Klimaschutzes zu handeln, sofern das Wachstum der deutschen Wirtschaft dadurch nicht beeinträchtigt wird. Wie wir aus dem Koalitionsvertrag gelernt haben, ist es von zentraler Bedeutung, den Ruf Deutschlands als Standort für Industrie, Innovation und — wer es noch nicht wusste — Games-Produktion zu erhalten. Das können wir nur erreichen, wenn wir die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken (auf 178 Seiten nur 61 Mal erwähnt).Denn was wäre, wenn es uns zwar gelänge, das Klima zu retten, wir aber unsere Wirtschaftsstärke nicht verteidigen könnten? Unsere Welt wäre wahrlich ein sehr trister Ort. |