1987 kämpfte Neuseeland gegen eine Inflation von 15,7 %. 1988 kühlte die Inflation in Neuseeland langsam ab und wurde das erste Mal wieder unter 10% gemessen. In einem TV Interview wurde der damalige Finanzminister am 1. April 1988 Roger Douglas gefragt, ob die Labour Regierung mit dieser niedrigeren Inflationsrate zufrieden war. Er antwortete: Nein, er würde gerne die Inflation in den nächsten Jahren gerne zwischen 0 und 1 % sehen.
Warum? Douglas hatte diese Zahlen nicht in der Fachliteratur gefunden. Vielmehr wollte er mit diesem beiläufigen Kommentar die Erwartungen der Neuseeländer beeinflussen. “Die Zahl wurde aus der Luft gegriffen, um die Erwartungen der Öffentlichkeit zu beeinflussen.” erklärte Don Brash, der einige Monate danach zum Gouverneur der Reserve Bank of New Zealand ernannt wurde.
Die Labour Regierung erklärte Brash, dass er sich darum kümmern sollte, die Inflation weiter zu senken. Ein Ziel nannten sie aber nicht. Doch jetzt, nachdem der Finanzminister ein konkretes Ziel genannt hatte, sah sich die Zentralbank gezwungen, sich damit zu beschäftigen wie hoch das Ziel sein sollte.
Zusammen mit dem Nachfolger von Douglas, David Caygill, arbeitete Brash den Reserve Bank of New Zealand Act (1989) aus. Dieses Gesetz sollte der Zentralbank Unabhängigkeit gewähren und forderte sie auf, sich ein Ziel zu setzen. Wenn dieses Ziel dann nicht erreicht werde, kann der Gouverneur entlassen werden.
Don Brash war vor seinem Job als Gouverneur Geschäftsführender Direktor der neuseeländischen Kiwi-Behörde. Er erzählt, dass sein Onkel, ein Apfelbauer sein Erspartes in Staatsanleihen getan hatte, um für seine Rente zu sparen. Doch als die Staatsanleihen matured waren, hatte die Inflation 90% seines Ersparten vertilgt.

Die Ökonomen in Brash’s Kreisen waren sich einig, dass Inflation über 8% oder 10% zu viel ist. Aber wie niedrig sollte sie sein? Wäre das 0% Ziel von Douglas angemessen? Nein. Mit 0% haben die Zentralbanken Angst davor, in eine Deflationsspirale zu rutschen. 0% gibt ihnen wenig Raum zu manövrieren und die Zinsen zu senken.
Die akademische Literatur sprach von einer steigende Tendenz (“upward bias”) in der Berechnung von Inflation. Wenn eine Zentralbank also einen Inflation von 1,7% ausrechnet ist sie wahrscheinlich eher 0,7% oder 1%. Sie rundeten diese Zahlen und einigten sich auf 2%. Sie geben, dass dieser Prozess nicht sehr “wissenschaftlich” war. Das 2% Ziel wirkte vernünftig — nicht zu niedrig und jagte deshalb den Zentralbankern Angst vor einer Deflationsspirale ein. Es wirkte nicht zu hoch, sondern stabil.
Als das Gesetzt verabschiedet wurde Ende 1989 schwebte die Inflation um 7,6%. 1991 kam sie schließlich bei der magischen Zahl an: 2%.
Dank des Marketings bei Meetings der Zentralbanker bemerkten andere Länder den Erfolg von Brash. Kanada, das selber mit hoher Inflation kämpfte, setzte sich das 2% Ziel 1991. Kurz darauf folgten England und Schweden.
Warum braucht es überhaupt eine konkrete Zahl? Das Mandat der Zentralbanken ist “Preisstabilität”. Was das Ziel ist, ist weniger wichtig, als dass sie die Preisstabilität in einem Land erhalten, meint Veronika Dolar, Assistant Professor of Economics, SUNY Old Westbury. Das heißt, dass Inflation nicht zu hoch wird und damit die Kaufkraft der Verbraucher erschöpfen aber auch nicht zu niedrig und damit ein Land in eine Deflationsspirale lockt.

Warum braucht es überhaupt eine konkrete Zahl? Das Mandat der Zentralbanken ist “Preisstabilität”. Was das Ziel ist, ist weniger wichtig, als dass sie die Preisstabilität in einem Land erhalten, meint Veronika Dolar, Assistant Professor of Economics, SUNY Old Westbury. Das heißt, dass Inflation nicht zu hoch wird und damit die Kaufkraft der Verbraucher erschöpfen aber auch nicht zu niedrig und damit ein Land in eine Deflationsspirale lockt.
Ein konkretes Ziel ist messbar und kontrollierbar. In England muss der Governor der Bank of England einen Brief an den Chancellor of the Exchequer schreiben, wenn die Inflation im Land sich mehr als 1 Prozentpunkt weg von dem 2% Ziel nach oben oder unten bewegt.
Damals sah kein Zentralbanker die Jahrzehnte der Niedrigzinsen vorher. Wenn sie es gewusst hätten, dann hätten sie vielleicht nicht 2% gewählt, vermutete Alan Blinder in einer Rede in 2018. Sollten wir also das Inflationsziel erhöhen? eine Umfrage ergab, dass kein Zentralbanker die Zahl 2 aufgeben möchte. Sie formt unsere Erwartungen heute erklären sie. Es ist ein “historischer Zufall”, sagt Lawrence Ball, dass unser Inflationsziel 2% ist. Doch Neuseeland sieht sein 2% Ziel als erfolgreich:
“Since inflation targeting was introduced in New Zealand, consumers price index (CPI) inflation has averaged around 2.2%. This compares with over 11% in the 1980s.”
Reserve Bank of New Zealand
Seit 2018 leistet das neue Ziel von “maximum sustainable employment” dem Inflationsziel in Neuseeland Gesellschaft. Der Reserve Bank of New Zealand Act 1989 wurde angepasst, um der Zentralbank ein duales Mandat zu geben.
”we define MSE as the highest use of labour resources that can be sustained over time without creating a sustained acceleration in inflation.”
Reserve Bank of New Zealand
Heute ist die Inflation wieder bei 7,2 %. Inwieweit ist die Inflationsentwicklung auf die Arbeit der Zentralbanker wie Brash zurückzuführen? Er sieht selber, dass vor allem die neoliberale Politik der Labour Regierung Ende der 1980er die Inflation in Neuseeland gedrückt hat.
Ist das 2% Inflationsziel ein Beispiel dafür, wo das Ergebnis vor der Theorie entwickelt wurde? Zu Lasten von wem?